Frühgeborene Kinder haben gerade in den ersten Lebensmonaten mit einigen physiologischen Besonderheiten zu kämpfen. Das Tragen kann dabei in vielerlei Hinsicht förderlich sein. Wir zeigen euch wie!
Was ist überhaupt ein frühgeborenes Kind?
Frühgeboren heißt: vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren und unter 2500 g Geburtsgewicht. Mangelgeborene dagegen sind nach der 37. Schwangerschaftswoche geboren und wiegen trotzdem unter 2500 g. Physiologisch unterscheiden sich Frühchen in einigen Punkten von reifgeborenen Kindern:
- Frühchen haben weniger bis gar keine Körperspannung – besonders im Bereich Nacken/Schulter/Rumpf
- Sie können Lärm nicht ausblenden
- Frühgeborene schlafen weniger und kürzer
- Sie kommen leicht in ein Energiedefizit.
- Wenig Fettpolster, größere Gefahr für blaue/weiße Beinchen
- Frühgeborene haben weniger Möglichkeiten sich zu regulieren. Nämlich nur: Schreien, Nuckeln, Tragen
- Oft platte, unrunde Kopfform (begünstigt schiefe Ebenen im Halsbereich, Schultergürtel und Beckengürtel)
Vorteile des Tragens
Gerade wegen der physiologischen Besonderheiten kann es für Frühchen besonders förderlich sein, getragen zu werden! Im Tragetuch sparen Frühchen zum Beispiel Energie und haben dadurch mehr Energie zur Nahrungsaufnahme übrig.
Frühchen haben durch die fehlende Zeit im Bauch der Mutter weniger Reize in allen Ebenen erfahren können. Die Schwerkraft erfasst sie früher und das Gehirn erhält weniger Bewegungsreize. Durch das Tragen kann dieses Defizit aufgeholt werden, deshalb ist es stark entwicklungsfördernd.
Frühchen brauchen einen starken Halt für ihren Kopf. Hier ist es angezeigt, eine dicke Rolle aus einer Mullwindel zu formen, um das Köpfchen zu halten oder das Tuch bis hoch zum Hinterkopf zu ziehen. Die einfache Tuchkante im Nacken reicht bei Frühchen nicht als Halt.
Was es zu beachten gibt
Bei Frühchen, die noch im Krankenhaus sind, gibt meistens der Arzt das OK fürs Tragen. Wenn die Vitalzeichen stimmen und die medizinischen Gerätschaften ein Tragen zulassen, gibt es keine zeitliche Begrenzung fürs Tragen.
Statt sehr kleine Frühchen im Tuch zu tragen, ist das „Kängurun“ eine Option, z.B. in einem Bonding-Top.
Wiegt das Kind unter 1800gr wird eine spezielle Wickelkreuztrage für Frühchen gebunden, bei der die Beine nicht rausgucken, sondern vor dem Körper verschränkt sind - da sehr kleine Frühchen noch nicht in der Lage sind die Anhock-Spreiz-Haltung einzunehmen. Es gibt Frühchentücher mit einer schmalen Breite von 45-55cm statt 70 bzw. 80 cm. In der Nachsorge, wenn die Kinder schon zu Hause sind, wiegen die Kinder meist über 1800 g und können mit der normalen Wickelkreuztrage in ein geeignetes Tuch gebunden werden.
Nicht nur Kinder bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit, auch die Eltern sind in einer extremen Situation und bedürfen u.U. größerer Unterstützung. Vielleicht sind sie geplagt von Schuldgefühlen, können vielleicht nicht rund um die Uhr beim Kind sein, weil sie noch andere Kinder haben oder sie sind womöglich durch die Geburt traumatisiert. Die Eltern halten sich dennoch über einen langen Zeitraum in der Klinik auf, dem Ort der Traumatisierung, und stemmen damit eine große psychische Belastung. Es ist immer ratsam, im Umfeld mit Fachpersonal zusammen zu arbeiten. Hier empfiehlt es sich, Ärzte, Therapeuten und Beratungsstellen ins Boot zu holen, denn diese Kompetenzen gehen über eine Trageberatung weit hinaus.
Ein Interview mit einer erfahrenen Trageberaterin im Bereich der Frühchen-Nachsorge findet ihr hier: https://fruehchen-portal.de/ein-fruehchen-tragen